5 Fragen an Lukas Mandl – österreichischer Abgeordneter zum Europäischen Parlament!
Er tritt für ein Europa mit mehr Freiheit nach innen und mehr Stärke nach außen ein. Österreich gewann mit ihm einen souveränen Vertreter in der Europäischen Union.
Herr Mandl fokussiert sich bei seiner Arbeit in Brüssel unter anderem auf Schwerpunkte wie den Westbalkan und überzeugt als Vorsitzender des Ausschusses für die Beziehungen zu Korea und stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Sicherheit und Verteidigung mit diplomatischem Geschick und geduldiger Bestimmtheit in seiner politischen Tätigkeit.
Wodurch kam bei Ihnen das Streben nach solch politischer Höchstleistung im internationalen Weltgeschehen auf?
Ich würde es eher Freude an politischer Arbeit nennen. Ich war seit der ersten Klasse Handelsakademie Klassensprecher. Das war 1993. Dann war ich etwa fünfzehn Jahre politisch aktiv, bevor ich in mein erstes Mandat gewählt wurde, in den Landtag meines Heimatbundeslandes Niederösterreich.
Am 12. Juni 1994 war dann die legendäre Abstimmung über Österreichs EU-Beitritt. Mich hat die Perspektive, das unser Österreich, das ich wirklich sehr gern habe, Teil des vereinten Europa werden kann, sehr fasziniert. Das alles hat mich motiviert, politisch zu arbeiten und für meine Heimat auch auf europäischer Ebene einzutreten.
Sie sind unangefochtener Experte in Fragen betreffend den Kosovo, der dortigen Etablierung einer stabilen Regierung und sohin auch der Einführung einer funktionierenden Demokratie. Sie haben erst kürzlich ein Buch mit dem Titel „Kosovo and the EU“ publiziert.
Was ist ihr Resümee zu dem Wahlausgang letzten Sonntag und was fasziniert Sie an dieser Region besonders?
Der Balkan ist für mich eine Region großer Gastfreundschaft, auch großer Gefühle und auch einer sehr großen Geschichte. Diese Geschichte kennt auch fürchterliche Tiefpunkte, menschliche Tragödien, viel Schuld, die dann über Generationen mitgeschleppt wird. Das Urproblem ist, dass ständig andere Weltmächte den Menschen am Balkan von außen erklären wollten, wie sie zu leben haben, und das vielfach auch mit Gewalt durchgesetzt haben. Deshalb ist mein erster Grundsatz auch die Selbstbestimmung der Bürgerinnen und Bürger der Balkanstaaten.
Die EU kann und soll helfen, wie jedem europäischen Land. Aber die innenpolitischen Entscheidungen müssen vor Ort fallen. In diesem Sinne gilt es auch, die europäische Einstellung der Menschen der sechs Westbalkan-Staaten auch auf dem Weg der europäischen Integration zu formalisieren. Das gilt für den Kosovo und auch die anderen fünf.
Die Demokratie funktioniert glücklicherweise gut im Kosovo. Die Reformen sind besonders für Rechtsstaatlichkeit, Bildung und Gesundheit wichtig. Und die EU muss ihre Versprechen einhalten, besonders dringend ist da die Visaliberalisierung. Und alle Westbalkan-Staaten, besonders Kosovo und Serbien, müssen alte Konflikte hinter sich lassen und die gegenseitige Anerkennung schaffen, damit sie ihren Bürgerinnen und Bürgern den Weg Richtung EU freiräumen, wie sie es verdienen.
Österreich ist die neue Heimat für viele Österreicherinnen und Österreicher mit kroatischen Wurzeln. Österreich und Kroatien verbindet sehr viel: neben ähnlicher Kulturen, einer eng mit einander verwobenen Geschichte, dem westlichen Lebensstil ist auch die Religion ein großer gemeinsamer Nenner.
Was verbinden Sie persönlich mit Österreicherinnen und Österreichern kroatischer Herkunft und dem Land Kroatien selbst? Gibt es Ihrer Ansicht nach noch Spielraum nach oben zur Ausweitung und Stärkung der Beziehungen zueinander?
Es gibt eine große Freundschaft zwischen Kroatien und Österreich, sowie enge Beziehungen zwischen ganz vielen Menschen aus den beiden Staaten. Ich verbinde mit Kroatien fleißige Menschen, eine reiche Kultur, wunderschöne Küsten, Strände und Inseln. Der Pfarrer in meiner Heimatpfarre Gerasdorf-Seyring, Branko Blazincic, ist ein Kroate. Ich schätze ihn als echten Freund und felsenfest den Glauben verkündigenden Menschen. Im Europaparlament gehören kroatische Kolleginnen und Kollegen zu engen Partnern: Wir ziehen in fast allen Fragen an einem Strang. Das tut gut. Zeljana Zovko, Karlo Ressler und Tomislav Sokol sind echte Freunde.
Alois Mock war ein fulminanter Politiker, der als einer der ersten Kroatiens Unabhängigkeit anerkannte. Heute sind Sie dieser leidenschaftliche Europäer, der sich für die Integration des Westbalkangebietes einsetzt.
Was sind dahingehend Ihre Ziele und Vorstellungen, wenn man die Zukunft dieser bisher noch jungen Staaten in Betracht nimmt?
Mit Alois Mock kann ich mich nicht vergleichen. Aber in meinem Büro steht ein gerahmtes Foto von einem für mich unvergesslichen Besuch, den ich ihm kurz vor seinem Tod in seiner Wiener Wohnung abstatten durfte. Er ist und bleibt wirklich ein Vorbild in vielerlei Hinsicht, in Staatsverantwortung, in der Arbeit auf der Basis klarer Werthaltung auch gegen Widerstände, und hier wieder besonders auch in der österreichischen Außen- und Europapolitik.
Er hat die Chance und auch die Verantwortung erkannt, als kleines Land am Rande des Balkans auch für die Menschen des Balkan zu machen: für deren Freiheit und Selbstbestimmung, für deren europäischen Weg und deren Zukunftschancen. Derartige Perspektiven sind zeitlos gültig, auch heute. Da in den Balkanstaaten weit überdurchschnittlich viele junge Menschen leben, die europäisch gesinnt sind, gut ausgebildet und bildungshungrig, fleißig und sehr weltgewandt, kann der Westbalkan eines Tages vielleicht die Rolle eines „Silicon Valley von Europa“ spielen.
Es gibt heute schon namhafte österreichische Unternehmen, die für ihre IT auf junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beispielsweise im Kosovo und auch in anderen Balkanstaaten vertrauen. Software engineering ist eine wachsende Zukunftsbranche. Wir müssen zwar Probleme lösen. Aber hier dürfen wir nicht stehen bleiben. Wir müssen auch positive Zukunftsvisionen entwerfen und auf deren Verwirklichung hinarbeiten. Diese ist eine solche Zukunftsvision.
Viele unserer Leser stammen ursprünglich aus Bosnien und Herzegowina.
Wie stehen Ihrer Einschätzung nach die Chancen auf einen baldigen EU-Beitritt, wo stehen wir 2021 bei den Verhandlungsgesprächen und was muss noch geschehen, um einen Weg in die Union zu ebnen?
Die sechs Westbalkan-Staaten sind in unterschiedlichen Phasen ihrer Integrationsprozesse. Montenegro und Serbien verhandeln ganz offiziell über ihre Beitritte. Albanien und Nordmazedonien haben wir mit viel Kraftanstrengung aus dem Europaparlament gegen Widerstände eines kleinen Teils der mitgliedsstaatlichen Regierungen nun an die Schwelle der Verhandlungsphase geführt.
Bosnien und Herzegowina und der Kosovo sind formal noch nicht so weit. Beide Staaten brauchen Reformen, besonders im Bereich der Rechtsstaatlichkeit. Das ist auch wichtig für Investitionen, Jobs, Zukunftsperspektiven. In Bosnien und Herzegowina ist die Lage etwas unübersichtlicher. Die Republik Kosovo wird noch von außen blockiert.
Es wird aber im Interesse Serbiens auf dem Weg der wirtschaftlichen Entwicklung und der EU-Integration sein, die Beziehungen zu normalisieren und den eigenen Nachbarstaat anzuerkennen. Es wäre unseriös, zu sagen, dass ein einziger dieser sechs Staaten schon bald EU-Mitglied werden könnte.
Aber mir ist wichtig, dass alle sechs Staaten beitrittsreif werden, dass kein Staat zurückgelassen wird. Wenn nicht alle sechs Beitritte auf ein einziges Mal erfolgen sollten, braucht es ab dem ersten Beitritt einen klaren und verbindlichen Zeitplan für die Beitritte aller.
Autor: CroExpress, Martina Batinic Datum objave: 16.02.2021.